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viele sozialistische Zumutungen für Kurt Biedenkopf

letzte Änderung am 07.05.2011 17:45:32

Mehr Zeit für die Zeit, bitte!

Am 28. April 2011 erschien in der ZEIT Nr. 18 ein Feuilleton-Artikel zum Buch des Kurt Biedenkopf: Wir haben die Wahl. Mathias Grefrath erkennt darin das ewige Mantra vom Wachstum, welches besonders dann gelinge, wenn die Massen auf eigene Löhne und damit auf Kaufkraft verzichten würden. Der Staat verarme laut Kurt Biedenkopf durch überbordende Sozialismuselemente. Ohne soziale Marktwirtschaft würde der Kapitalismus endlich seine gesegneten Kräfte entfalten können. Einen Vorgeschmack darauf hat uns vielleicht die Börse und die Bankenlandschaft im Jahr 2008 geboten. Man ahnt zumindest, was mit ein wenig Deregulierung der Finanzmärkte so alles möglich wird und wurde. Also bezeichnet Grefrath Biedenkopfs Deutung als sehr originell, denn sie verdränge die Sättigung der Märkte, die Energiekrise, die Steuersenkungen für Reiche und die Entfesselung der globalen Spekulation. Außerdem komme Biedenkopfs Buch fast ohne Zahlen aus. Wozu auch Zahlen, frage ich mich, wenn sie dem Autor Biedenkopf doch nur stets widersprechen würden? Grefrath jedoch nennt ein paar Faustwerte, die man sich einprägen sollte, um nicht sozial zu degradieren.

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Steueranteile, Angestellte zu Unternehmen 1960 und 2011

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Inzwischen stiegen jedoch Kosten für Bildung auf ein Mehrfaches, kam es zu hoher Dauerarbeitslosigkeit im Land und im Zuge der Wiedervereinigung der DDR mit der BRD führte die Plünderung der öffentlichen Haushalte auch zu bis heute anhaltenden Mehrbelastungen. Dies ausblendend erwähnt Biedenkopf, dass nur 10% der Bürger allein immerhin 55% der Einkommenssteuer zu tragen hätte. Das hört sich ungerecht an, nicht wahr? Aber nun, wo schon Grefrath das für eine manipulative Legende hält, schauen wir uns besser einmal diese Aussage näher an. Fangen wir mit der nackten Zahl an: diese stimmt. Nur was kann man daraus erkennen? Sollte man vielleicht den Satz umformulieren? Es verdienen 90% aller Deutschen so wenig, dass sie zusammen nicht einmal die Hälfte der Einkommenssteuer aufbringen können. Und in diesen 90% werden so einige Rentner, Behinderte, Wehrpflichtige, Studenten, Hausfrauen, Leute in Fortbildungsmaßnahmen und unsere Kinder enthalten sein. Oder würden Sie diese Gruppen bei den 10% derjenigen vermuten, die zusammen 55% der Einkommenssteuer erbringen?

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Wir wissen doch außerdem, dass es für arme Leute Steuerfreibeträge gibt. Und da die Armut relativ verbreitet ist, zahlen viele Leute gar keine Steuern. Man könnte diese zwar auch besteuern, aber man müsste das dann wohl über Sozialhilfe wieder herausgeben oder mit Kleinkriminalität und Aufruhr rechnen. Dem Staat schien die Stillhalteregelung dann billiger zu sein. Der Mittelstand jedoch - der zahlt fleißig Steuern. Er zahlt für sich, er zahlt für die Armen und genau genommen trägt er auch noch die Steuerlast der Konzerne, welche sich mit guten Anwälten und einem noch besseren Steuersparkonzept gleich mehr oder weniger frech an der Kollekte vorbei mogeln. Nun möchte Kurt Biedenkopf den Mittelstand mit seinem Buch endlich dafür sensibilisieren, dass dieser sich wenigstens die Arbeitslosen und Kranken aus dem Pelz schütteln müsse, damit er auch weiterhin die Steuern der Konzerne übernehmen könne. Für wen macht sich der ehemalige sächsische Ministerpräsident wohl diese Mühe?

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Steuerarten

Doch es kommt noch besser. 55% sind ja eine ungeheure Belastung für diese wenigen Personen. Nur: Es sind bloß 55% von einer relativ unbedeutenden Steuer. Der größte Steuerertrag kommt aus der Mehrwertsteuer. Danach kommen erst Lohn-, Gewerbe- und Energiesteuern. Und wer von diesen 10% der Überlasteten in der Einkommenssteuer zahlt denn Lohnsteuern auf sein Einkommen? Und wer bekommt denn die Mehrwertsteuer auf relativ teure Anschaffungen wie Autos und Yachten wieder, weil er diese Dinge der Firma unterschiebt? Kaum jemand hat so viele Steuerfluchtchancen wie die Leute, die sich 55% der Einkommenssteuer zu teilen haben. Aber versuchen Sie mal als Postbote oder Sachbearbeiter, eine Auslandsreise mit Kollegen, die Telefonrechnung der Wohnung oder einen edlen Wagen von der Steuer abzusetzen und auch noch die Mehrwertsteuer zurück zu bekommen! Nein - ich glaube nicht wirklich an die Notwendigkeit, die angesprochene Einkommenssteuer jetzt gleichmäßiger auf alle Einkommensschichten zu verteilen. Ich habe - um die Sache sogar noch weiter zu vereinfachen und den sozialen Sprengstoff zu entschärfen, einen weiter gehenden Lösungsansatz entworfen - die Obergrenze. Hier würden sich fast alle Steuerarten erübrigen.

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Biedenkopf scheint jedoch ein anderes Modell zu bevorzugen. Wenige Reiche sollen einer großen Masse der Armen gegenüberstehen und sich der Schande ihres geringen Einkommenssteueranteils bewusst werden, um dann auch bei Lohnforderungen nicht so den Schnabel aufzusperren. Das schrumpft dann zwar den viel größeren Brocken der Lohnsteuer, aber wen interessiert schon eine Steuer, die man selbst gar nicht zahlt? Das Biedenkopfsche Märchen vom Kapital als flüchtiges Reh habe ich in dem Obergrenze-Artikel gleich mit verarbeitet. Sogar das Foto dieses scheuen Wildes ist mir recht gut gelungen.

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Biedenkopfs Lösung über ein Grundeinkommen zeigt, aus welcher wirtschaftsphilosophischen Ecke diese verniedlichende Umschreibung der Sklaverei kommt. Bis jetzt fordern doch nur erstaunlich redegewandte und gut gekleidete Herren diese Version des betreuten Wohnens für das Volk. Die Armen scheinen den Braten schon zu riechen und halten sich auffallend zurück mit solchen Forderungen. Ihnen würde der Vermieter sowieso umgehend eine an das neue Durchschnittseinkommen angepasste Miete abverlangen. Das Gleiche beim Benzinpreis, dem Trinkwasser usw. Im Prinzip würden die Leute, für die das Grundeinkommen erfunden worden sein soll, das Geld also nur durchreichen. Vollbeschäftigung gegen Existenzminimum hatten übrigens auch schon die Gladiatoren und Sklaven im alten Rom. Dieses Paradies könnten wir sofort wieder haben! Wenn ich also die Wahl habe, dann entscheide ich mich für Grefrath und gegen Biedenkopf. Hoffentlich wird mir diese Frage auch mal so deutlich an der Wahlurne gestellt!

Peter Spangenberg

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