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Gedächtnisprotokolle


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polizeilicher Machtmissbrauch

nach den Demonstrationen vom 7. - 9. Oktober 1989 in der DDR

Vorbereitung der bewaffneten Organe auf den Ernstfall

noch kein Foto verfügbar

Am 7. Oktober 1889 feierte die DDR den Jahrestag der Republikgründung. Einige (hundert oder tausend) junge Leute schlossen sich unangemeldet und unter recht ungewohnten Losungen am Abend frech den Feierlichkeiten und Kundgebungen an. Die Staatsmacht war natürlich längst im Bilde, wer da weshalb und wo zur Demo angetreten war. Sie lag also in Nebenstraßen des Berliner Stadtzentrums auf der Lauer und war bereit, den bösen Klassenfeind auf frischer Tat zu erwischen und aus dem Verkehr zu ziehen. Die Beamten und Wehrdienstleistenden, welche die zweifelhafte Ehre hatten, hier der offenen Konterrevolution mit festem Klassenstandpunkt gegenübertreten zu dürfen, bekamen ein mehrtägiges Stresstestprogramm mit Schlafentzug sowie ein stets wiederholtes Schauermärchen vom grölendem Mob, der im Falle einer siegreichen Konterrevolution jeden überwältigten Polizisten und Soldaten gewiss am nächsten Mast aufhängen werde, als Vorbereitungslehrgang. In dieser körperlich-seelischen Spitzenverfassung brachte man also die perfekt geschulten Krisenmanager in Uniform auf Lastwagen ins Krisenzentrum. Natürlich unter Aufsicht von jungen forschen Straßenpassanten, die alle den selben unauffälligen Anorak mit der selben seltsamen Beule in der Brustgegend trugen. Kleine Hilfe für die jüngeren Leser: Besser kann man die niederen Dienstränge der Staatssicherheits-Truppen im Großeinsatz kaum beschreiben.

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Sammeleifer

Dort sammelten sie in einer Mischung aus Panik und Pflichtbewusstsein im Prinzip alles ein, was bei drei nicht auf dem Baum war. Wer zur falschen Zeit an der falschen Haltestelle der Straßenbahn ausstieg oder aus dem falschen Hauseingang herauslief, wurde zusammen mit Straßenpassanten, heimkehrenden regierungstreuen Demonstranten und auch der eigentlichen Zielgruppe des Einsatzes in Bunkern und Garagen einquartiert und wie in schlechten KGB-Gruselfilmen verhört. In der jämmerlichen Verfassung der zum Gegenangriff zusammengetriebenen Uniformierten ist es geradezu ein Wunder gewesen, dass die Kerle sich nicht sogar gegenseitig verhaftet haben.

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Schlimmer noch als Raubkopieren!

In den Kellern und Garagen der Staatssicherheit wurden aus Zugeführten in Schnellverhandlungen Täter. Fast alle Eingesammelten unterschrieben nach mindestens einer Nacht unter Aufsicht brav vorgefertigte Geständnisse. Ob das etwas mit der Art ihrer zeitweiligen Unterbringung und mit ihrer Behandlung vor dem Verhör zu tun hatte? Einige dieser registrierten Täter liefen - kaum auf freiem Fuß - sofort in die nächste Kirche. Und weil man da keine Anzeige erstatten kann, diktierten sie eben heimlich, aufgeregt und trotzdem versuchsweise neutral Zeugenaussagen - die sogenannten Gedächtnisprotokolle vom Herbst 1989. Die Kirche hatte damals noch keine Lizens zum Drauflosdrucken ohne vorherige Einzelfallgenehmigung der Regierung. Die sich in den nächsten Tagen anhäufenden Protokolle waren für Protokollführer, Zeugen und auch Protokollverteiler eine ziemlich sichere Fahrkarte nach Bautzen - ins politische Gefängnis. Dennoch fanden sich tapfere Leute, die mühseelig mit Blaupapierdurchschlägen und stinkenden Ormegabzügen diese Protokolle wieder und wieder abtippten oder kopierten. Gewaltige Auflagen werden diese Protokolle schon wegen der (für staatsfeindliche Zwecke) nicht zur Verfügung stehenden richtigen Druckereikapazität nie erreicht haben. Das ist bedauerlich, aber kein endgültiger Wert. Einige hundert Exemplare dürften nämlich bereits seit 1989 in Umlauf sein. Und so manches Stück ging und geht noch heute von Hand zu Hand. Zwei nicht identische Protokollsammlungen waren kauzzeitig auch im PS VERLAG zu Gast.

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Empfohlen für den Schulunterricht

Die Protokolle sind vielleicht noch nicht einmal bei der Deutschen Nationalbibliothek in Leipzig erfasst. Das werden wir ändern! Hier geht es um echte, lebendige Geschichte. Hier geht es um den Anspruch auf Freiheit und Demokratie, auf Würde und Mitbestimmung. Darum gehören diese Protokolle eigentlich auch zwingend in den Schulunterricht, sobald die Themen Sozialismus, DDR, Bürgerliche Freiheiten, Demonstration, Machtmissbrauch und Regierungskrise behandelt werden. Bürgerfreundliche Bildungsminister und Lehrer werden da sicher kein Problem sehen. Mitläufer und Untertanengeister allerdings winken wie immer mit den folgenden Argumenten ab:

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lebende Zeugen

Zufällig kenne ich selbst zwei dieser Zeitzeugen (meine beiden Schwestern) und kann auf Wunsch auch Ihnen den Kontakt zu ihnen vermitteln. Auch kann ich Ihnen Pfarrer einiger Kirchen nennen, welche im Dienst damals mit diesen Protokollen zu tun hatten und zu den Inhalten stehen. Sie können auch selbst ermitteln! Fragen Sie einfach im Pfarramt der evangelischen Kirchengemeinde Finow, Schulstr. 28 in 16227 Eberswalde nach Martin Appel. Der kann Ihnen weiterhelfen. Seine Telefonnummer: 0 33 34 - 3 21 97 .

Und ich kann Ihnen nur raten, sich nie zu sicher zu wähnen, dass Sie nie Opfer solcher Willkürakte werden könnten. Schauen Sie sich ruhig einmal ein paar Videosequenzen aus der jüngeren Vergangenheit an und überlegen Sie sich schon einmal ein paar sinnvolle Verhaltensweisen für solche Fälle.

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Selber lesen?

anonymes Autorenkollektiv: Gedächtnisprotokolle. - Nachdruck. - Eberswalde: PS VERLAG, 2007. - ca. 200 S.

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