Zinswirtschaft und Politik

oder warum wir überall einen Politikertypus in den Parlamenten überwiegen haben, der aus Berufsgruppen stammt, die ihr Geld nicht mit Warenproduktion verdienen müssen
Wer die Macht hat, nutzt sie auch

In den Parlamenten (wahrscheinlich nicht nur in Deutschland) sind nicht alle Berufsgruppen proportional vertreten. Damit verfügen einige Berufsgruppen über unverhältnismäßig viel Macht und Einfluß, was auch zur beständigen Erweiterung von Privilegien und zur Konkurrenzverhinderung genutzt werden kann - und wird. An sich ist es ja sinnvoll, wenn Leute ihre eigenen Interessen vertreten. Sobald aber die Interessen von Minderheiten ungehemmt die Interessen breiter Volksschichten überlagern, kommt es normalerweise zu Fehlentwicklungen. Durch den Mangel an ausreichend vielen Gegenkandidaten anderer Berufsgruppen wird auch das schöne deutsche demokratische Wahlsystem nicht eine nötige Besinnung und Rückkehr zu vernünftigem Interessenausgleich bewirken.

Dominant

Wer sitzt eigentlich fast ausschließlich in den Parlamenten? Sind es Fabrikarbeiter, Handwerksgesellen oder Meister? Sind es Forscher, Buchhalter oder Bauern? Oder Polizisten, Lehrer, Postboten? Wohl kaum. Es drängt seltsamerweise vor allem die leitenden Angestellten und höheren Beamten in der Verwaltung von Staat, Konzernen, Banken und Versicherungen sowie die Mitglieder von besonders konkurrenzgeschützten Berufsgruppen wie Anwälte, Ärzte und Gewerkschafter an die Hebel der Macht. Und dort kann man dann natürlich nicht erwarten, dass Gesetzte entstehen, die etwa Manager finanziell an ihren Fehlleistungen beteiligen. Im Gegenteil: Es ist sogar schon soweit, dass die obersten Manager bankrotter Firmen oder Länder mit sehr sehr großzügigen Abfindungen für ihre katastrophale Organisation im Zuständigkeitsbereich belohnt werden. Und ebenso werden die Vertreter der Kammerberufe wohl kaum den freien Wettbewerb ausrufen, wo doch gerade so schön viele kranke Patienten beim Arzt Schlange stehen, den Anwälten auch bei verlorenen Prozessen niemand in die Kasse greift und die Gebührentabellen geradezu märchenhafte Ähnlichkeit mit sozialistischen Zuständen für diese Berufe bewirken.

Zeit ist nicht nur Geld

Um sich in der Politik zu engagieren, muss man vor allem Zeit dazu haben. Diese fehlt aber vor allem bei den Leuten, die sich tagtäglich Sorgen um die eigene Existenz machen und von früh bis spät schuften, damit ihre Familien überleben, die Kreditraten fürs Auto pünktlich bezahlt werden können und auch die Miete (eine andere Art von Hauskredit) nicht zum Problem wird. In diesem Stress befinden sich schon ziemlich große Teile des Volkes. Und solange sie sich nicht im Parlament nicht für bessere Zustände, gerechtere Lastenverteilung und gegen Korruption und auseinanderklaffende Einkommensschere einsetzen, wird sich leider auch nichts für sie verbessern. Und da beisst sich die Katze also in den Schwanz, der Teufelskreis schließt sich. Die Parlamente wären ja schön dumm, wenn sie den Volksmassen auch nur etwas mehr Zeit fürs politisieren schenken würden! Da kämen die Leutchen noch auf dumme Gedanken und würden etwas im Schlaraffenland verändern wollen, oder etwa nicht?

Leistung verliert

Wer Produkte entwickeln, herstellen und verkaufen, reparieren oder wieder recyclen muss, hat also vollauf mit sich selbst zu tun, Angst vor Arbeitsplatzverlust und wird nach Kräften mit Formularen, Behördengängen und einen perfekten Dschungel aus Steuergesetzen und -lücken, Versicherungsklauseln und Verwaltungsverordnungen zwangsbeschäftigt. Um aus der Misere herauszukommen, müsste man schneller, effektiver, besser arbeiten, um dadurch mehr Zeit herauszuschinden. Dummerweise fällt die weitere Leistungssteigerung nach jedem erreichten Erfolg immer schwerer. Da geht es Menschen nicht anders als Maschinen - irgendwann ist ein Niveau in Nähe der Grenzleistung erreicht, wo für jede weitere Steigerung eine unverhältnismäßig hohe, also sinnlos teure Investition oder Anstrengung nötig wäre. Aus dieser simplen Tatsache heraus kann den an der Produktion beteiligten Personen nie der Wettlauf mit den Nutznießern von Kapitalvermögen (Geld, Immobilien, geldwerte Rechte und Privilegien) gelingen.

Geld regiert die Welt

Wer seine Zeit nicht mit schnöder Produktion vergeudet, sondern sein Einkommen vorwiegend oder wenigstens ausreichend aus solchem Kapitalvermögen heraus absichern kann, hat überhaupt nicht diesen ständigen Stress. Es arbeitet die Zeit ja immer für das Geld - wenn man Geld hat. Und das tut es auch mit einer steten Beschleunigung, also immer besser. Das bedeutet: Zinsen bewirken für die Bezieher von Kapitalrenten (Bankzinsen, Mieten, Pachten) und - über den Umweg von angelegten Teilen überdurchschnittlicher Einkommen - auch bei anderen garantierten Einkommensbeziehern (Beamtensold, aber auch garantierte Kundengebiete und Gebührensätze) eine stets wachsende Freizeit, in der man sich mit Politik zur weiteren Verbesserung der Situation beschäftigen könnte. Man muss ja nur noch kandidieren. Schlimmstenfalls wählen sie ja nur einen Berufskollegen, nicht wahr?

"Der Teufel scheißt immer auf den größten Haufen", könnte man diese Gesetzmäßigkeit kurz zusammenfassen. Zinsen wachsen nämlich exponentiel, verzinste Einkommen verdoppeln sich bei konstantem Zinssatz also in gewissen Zeitintervallen. Bei 7% Zinsen verdoppelt sich eine Schuld genauso wie ein Einkommen in 10 Jahren. Der Schuldner kann das Übel etwas abmildern, wenn er möglichst schnell beginnt, Kreditteile zu tilgen. Dadurch wird er selbst nicht ganz so hart herangenommen. Glaubt er jedenfalls. Der Verleiher jedoch wird das wieder schneller verfügbare Kapital erneut an andere Leute ausleihen und bekommt so wieder genau die übliche Verzinsung für das selbst nicht benötigte Zuviel an Geld. Und diese Leute wieder wollen auch schnell die Schulden los werden, müssen also als kleine Arbeiter und Angestellte entsprechend hohe Gehaltssteigerungen durchboxen - oder als Selbständige die Preise eigener Produkte und Leistungen etwas teurer ansetzen. Alle Käufer von Produkten (also das ganze Volk) zahlen also die stets beschleunigte Einkommensvermehrung, obwohl sie glauben, mit höheren Löhnen oder Kostensenkungen, mit Preissteigerungen oder Produktionssteigerungen etwas für sich erreicht zu haben.

Da einzig nur der Kapitaleigentümer bei fester Verzinsung und erzwungenen Sicherheitsgarantien sein Einkommen sicher hat, während alle anderen sich um die Wette abstrampeln, um die immer wieder wachsenden Zinsen insgesamt nicht aus den Augen zu verlieren, kann das Rennen nur einen Ausgang haben. Der Kapitalbesitzer (früher irrtümlich verwechselt mit Unternehmern oder anderen Verlierern) hat nicht nur das Geld, sondern auch die nötige Zeit, die Spielregeln zu bestimmen. Und er gewinnt immer solange, wie es noch eine Arbeitskraft gibt, die noch nicht trotz Arbeit unter Volldampf am Existenzminimum dahinvegetiert.

Fazit Weil Leute mit Zinseinkommen und garantierten Bezügen immer mehr Zeit für Politik haben als Leute, die mit Arbeit Geld verdienen, werden die Spielregeln unserer Demokratie immer mehr von ihnen bestimmt - bis es nichts mehr von unten nach oben zu verteilen gibt. Da dann die schönen Zinsen durch massenhafte Konkurse und wirtschaftlichen Verfall in Gefahr kommen, aber Gläubiger so ungern auf Forderungen verzichten, wird es nur wenige von den Spielregelmachern akzeptierte Notlösungen geben:
  1. Hinzugewinn neuer ungeplünderter Volkswirtschaften durch Vereinigung
  2. Eroberung von noch nicht erreichten Märkten, Rohstoffen und Energiequellen
  3. Verlagerung drohender Crash-Verluste auf die breiten Volksmassen
  4. Sicherung der wahrscheinlich crashfestesten Eigentümer über den Crashpunkt hinaus
  5. Schaffung optimaler Startpositionen für die erneute Manipulation der Marktchancen und somit die Verhinderung der Notwendigkeit, den Lebensunterhalt ehrlich erarbeiten zu müssen