Das allerletzte Kapitel

1. Brief an Mitbetroffene
2. Brief an einen braven Lehrer, der nun auch zahlen soll
3. Brief an Ahnenforscher und andere ...

Erich Kästner würde sich vermutlich im Grabe umdrehen...
...wenn er wüßte, was seine Erben in den letzten Wochen mit seinem geistigen Gut im Namen des 'vererbten' Urheber-Rechts so alles anstellen...

schreibt http://www.vossweb.info/zitatesammler/.
Ich kann dem nur zustimmen und veröffentliche hier einige Links, die in Suchmaschinen bei Begriffen wie Kästner Abmahnung "letzte Kapitel" merkwürdigerweise heute (23.12.2003) so nicht mehr auftauchten. Kann jemand das Phänomen nachprüfen und dann zurückschreiben?

Ich wurde aufgefordert, über 1000 Euro für eine "Veröffentlichung" des Gedichtes zu zahlen, wobei ein gewaltiger Streitwert der Anwaltstabelle zur Begründung der Gebühr zugrundelag und auch der Erbe offenbar 600 Euro bekommen sollte. Halbe/Halbe also? Ich halte den Preis beider Hälften für sehr übertrieben. Sollte ein gerichtliches Urteil noch härter ausfallen, betrachte ich das als vorsätzliche Existenzvernichtung und persönliche Kriegserklärung. Für einen Hammel, der brav zur Schlachtbank soll, bin ich mental eher ungeeignet. Ich will Lehrlinge ausbilden, endlich ein Verlagsgebäude bauen, aus den Jahren der angespannten Haushaltslage endlich herauskommen, nicht aber ständig Anwälten die Konten auffüllen. Wer nun meint, das hätte ich mir eher überlegen müssen, der soll sich bitte auch fragen, ob ich eine faire Chance hatte, dieses erst seit Wochen bekannte Spezialwissen von Abmahn-Anwälten, das derzeit das Internet erschrickt, zu erwerben. Diese schrägen Vögel des Rechtswesens haben den Dreh mit dieser Urheberabmahnung auch gerade erst herausbekommen und kassieren derzeit querbeet die Seitenbetreiber ab.


1. Brief an Mitbetroffene

Hallo, Leute!

Wenn man frohen Mutes einen Verlag gründet, also auf einmal statt Landwirt mit PC ein Verleger ist, kann einem unser Urheberrecht schnell mal die Füße weghauen. In der Schule war ich beim Fach Urheberrecht anscheinend gerade Kreide holen - wie offenbar so mancher Leidensgenosse hier im Internet. Und als der Irakkrieg losbrach, fahndete ich natürlich nach interessanten Seiten im Netz gegen diese Kriegstreiber, ohne erst Nachhilfe in Rechtsverdrehung zu nehmen. Und ich fand wirklich haufenweise dieses tolle Gedicht "das letzte Kapitel" von Herrn Erich Kästner, das mir wie aus der Seele sprach. Ich gebe zu, kein schlechtes Gewissen gehabt zu haben, als ich mit Angabe von Autor und Überschrift das Gedicht komplett in eine eigene Seite kopierte. Man weiß ja nie, wieviele Tage die gefundene Quelle unverändert bleibt, und auch sehr engagierte Webseitenpfleger können unmöglich täglich immer wieder tote Links aussieben. Es ist im Internet keine einzige Seite dabeigewesen, wo dranstand: "Hier können Sie ein Kopierrecht für Kästners Werk erwerben. Kostet x Euro. Bankverbindung weiter unten." Heute befürchte ich, mit meiner zeitweise gezeigten Kopie wieder viele andere zum Kopieren angestiftet zu haben, was mir angesichts der damit zusammenhängenden Abmahnwelle nun sehr leid zut, auch wenn ich die unbürokratische Verbreitung des Gedichtes immer noch toll finde.

Nicht einmal jetzt, wo ich sozusagen sensibilisiert wurde, weiß ich, wo ich überhaupt Rechte erbitten kann. Vielleicht muß ich gar erst Detektive einschalten und Anwälte bemühen, um sicherzustellen, dass mir nicht ein Spaßvogel gleichen Namens oder unklarer Erbschaftslage hier frech einen Bären aufbindet, den ich am Ende mehrfach an diverse weitere mehr oder weniger echte Erbe zu bezahlen habe. Viel leichter ist es dagegen doch für den echten Erben, mich mit meinem Zitat zu finden. Wäre es da nicht nur gerecht, wenn sich der Erbe bei den Zitierern mit seiner Preisvorstellung samt Beweis der Ansprüche meldet und diese Seitenersteller dann das Recht einer Entscheidung wahrnehmen können? Umgekehrt ist die Marktsituation einfach völlig unpraktisch.

Bevor ich jedoch einen Euro mit meinem Antikriegsthema verdiente, weil mir bisher niemand von sich aus eine Lesegebühr überwies und auch noch kein eigenes Buch zum Thema in unserem Sortiment ist, kam die Weihnachtsüberraschung aus der Kanzlei. Nun kann ich mich entscheiden: Weiter Miete zahlen oder schon mal das Gedicht anzahlen. Ich will aber nicht jammern, sondern etwas dafür tun, dass so etwas endlich aufhört. Nicht das Zitieren von - wenn sinnvoll - ganzen Gedichten oder Geschichten. Sondern die Kastration des Internets. Ich denke, auch Kultur und Bildung sind ein unveräußerliches Menschenrecht. Der freie Zugung zu Information steht in meinen Augen moralisch unendlich höher als das Erbrecht. Solange keine akzeptable Einkaufspraxis für Urheberrechte gefunden wird und alternativ auch keine garantiert zukünftig bestehen bleibende Fundstelle im Internet für dauerhaft fehlerfreie Links angeboten wird, betrachte ich das Internet als freie Zone. Es ist Sache der Rechteinhaber, sich hier etwas Vernünftiges einfallen zu lassen. Am besten stellen die Erben von sich aus das Gedicht ins Netz. Das würde allen Webspace sparen und Linksicherheit bieten. Sollen sich die Erben doch über Werbebanner finanzieren!

Eine derartige Panikerzeugung per Abmahnung bei Weitergabe von gefundenen interessanten Texten ist aber Freiheitsberaubung. Ich fühle mich nicht im Unrecht und empfinde auch 100 statt 1000 Euro immer noch als unverschämt. Im Prinzip ist so ein Anwalt samt des Klienten nur ein mieser Kriegsgewinnler. Alle Kriegsgegner werden systematisch ausgenommen und halten von nun an die Klappe im Netz. Und wer Kästner nicht mag, hat auch nichts zu befürchten. So wird die neudeutsche Presse"freiheit" nun auch aufs Internet angewandt. Ich denke da an diverse Zitate, die hier zwischen 2000 und 2003 zu Parteiausschlüssen, Ministeramtsverlust, angedrohtem Berufsverbot, Fallschirmunglücken und ähnlichem führten, während ein durch Konsum von Drogen und Liebesdiensten des des internationalen Mädchenhandels auffälliger Prominenter bald wieder sendungsreif war.

Bei solcher Tendenz zur Volksverblödung verlöre dieses künftige Internet für mich erheblich an Reiz. Geht es jemandem ähnlich?

Man kann mit aber Leuten immer nur machen, was diese mit sich machen lassen. In der DDR haben wir das 1989 auch schon mal Leuten erklärt, die sich allerlei spitzfindige Gründe haben einfallen lassen, warum ein Besuch jenseits der Elbe, Kritik am Staat oder auch nur eine Blume im Knopfloch am Männertag höchst kriminell sein sollten. Nachher waren dann die Gründe, die Gesetze und auch die Leute einfach weg vom Fenster. Es haben einfach zuviele gleichzeitig Mut gehabt. Das lässt sich jederzeit wiederholen. In meinem persönlichen Fall ist der Kittelbrennfaktor (wenn man endlich eine Lösung zu suchen bereit ist) schon groß genug.

Heute erschrecke ich immer wieder über neue Fälle, wo uns Bürgern hier die Lebensgrundlagen erst abgeknöpft und dann frech zurückvermietet werden. Von Wasser/Abwasser, Energie, Boden angefangen über Geld und nun sogar Kulturgut werden die Normalverdiener systematisch abhängig gemacht und dann ausgenutzt. Überall, wo solche Monopole erfolgreich installiert wurden, haben sich satte Preise eingestellt. Denken Sie nur einmal an Ihre Kontogebühren fürs Girokonto, an die Bodenpreise, die Mieten usw.

Obwohl die Rentenaussichten, Löhne und erst recht die die Gewinne und Preise normaler im Wettbewerb stehender kleiner Firmen in den Keller gehen, steigen die Ausgaben von allen durch Strom-, Gas- und sonstige unumgehbare Posten. Briefe werden teurer, Banken erheben trotz fallender europäischer Zentralbankzinsen ihre Hauszinssätze fröhlich an. So haben wir in der Statistik wenigstens ein bischen Wachstum. Toll, nicht wahr? Leider sind das aber nur lokale Wucherungen. Das System ist dann richtig krank. Insgesamt ist eher ein beträchtlicher Gewichts- und Energieverlust zu befürchten. Dazu bringen wir im nächsten Jahr auch ein Buch heraus.

Wenn die Abmahnwelle bei Gedichten greift, ist es nur noch eine Frage der Zeit, bis das Internet nur noch heftig kostenpflichtige Gedichte zu bieten hat. Oder die Auswahl wird doch sehr eingeschränkt sein wird. Gut, dass es Länder gibt, die dem internationalen Urheberrecht nicht zustimmen konnten. Wahrscheinlich werde ich ab heute in allen unklaren Fällen Freunde hinter den sieben Bergen bitten, ob sie nicht ein paar deutsche Texte in ihre Seiten einbauen. Und den Anwalt will ich sehen, der sich bei einem Knirps in der 3. Welt ein sattes Honorar einklagt! Wenn der Knirps aber finanzielle Unterstützung aus Europa für seine Providergebühr bekommt, dann ist er wahrscheinlich hochmotiviert und würde auch ganze Onlinebibliotheken einspeisen. Wer gerade keine Kontakte in Länder der unbegrenzten Möglichkeiten hat, kann gern bei mir anfragen.

Was mich interessiert: Wer würde gemeinsam mit mir einen Prozess wagen? Wer würde Tipps und Tricks für einen Sieg liefern? Wer könnte sich aus vollem Herzen des Falles als Anwalt annehmen? Und wie könnte ich mich bei einer Niederlage möglichst lange vor derartigen Zahlungen retten? Was sollte ich tun, um mein Eigentum in jedem Fall vor solchem Zugriff zu entziehen und so den Betrieb samt Arbeitsplätzen zu sichern? Wo ist die aktivste Bürgerinitiative in der Frage? Welcher Landwirt hat zufällig eine Fuhre Gülle an der Kanzlei vorbeizukutschen oder gar regelmäßig in der Gegend zu tun? Gibt es auch betroffene oder wenigstens an einer Wende interessierte Abfallentsorger, Gruben-Jauchepumper, Tiefbauer, Hygieneinspektoren, Ordnungsamtspersonen, Zahnärzte, Gastwirte, Klempner, Postboten oder ...? Ich will hier keinen Beruf diskriminieren, denn irgendwie kann jeder in gewisser Weise erzieherisch auf Mitbürger einwirken, die über die Stränge schlagen. Das ist kein Unrecht, sondern Notwehr! Man darf auch andere schützen.

Sollte ich durch diesen oder künftige Abmahnfälle auf Sozialhilfe landen, tröste ich mich ganz sicher mit einem neuen Hobby. Anwälten kann man sicher auch irgendwie in die Suppe spucken, nicht wahr?

Mit freundlichen Grüßen
Peter Spangenberg

2. Brief an einen braven Lehrer, der nun auch zahlen soll

Sehr geehrter Leidensgenosse in Abmahnsachen,

ich habe denselben Betrag in Rechnung gestellt bekommen mit ähnlichem Zahlungsdatum, so dass ich davon ausgehen darf, dass ich nicht der einzige weitere Kandidat für die Zahlung der Weihnachtsprämien einer gewissen Kanzlei bin. Ich denke, der treibende Kern in der Geschichte war nicht der Erbe, sondern das Anwaltsbüro. Hier haben wir es mit einem Mißbraucher des Urheberrechts zu tun, der sein Insiderwissen schamlos ausnutzt und somit uns Normalbürger aus dem Hinterhalt ausbluten möchte. Offline würde man das Strauchrittertum nennen. Ich vermute, dass:

  1. der Anwalt professionell Fahndung nach gerade gut "laufenden" Gedichten und Texten macht,
  2. er dabei sicher auch ganz andere Autoren "vertritt" (und welcher Erbe wird denn eine plötzlich angebotene Weinachtsgewinnbeteiligung ausschlagen, auch wenn diese sicher nur einen kleinen Teil von 1000 Euro ausmacht),
  3. möglicherweise sogar spezielle Lockvogelseiten im Netz stehen, von denen fleißig diese Gedichte kopiert werden, sobald Internetnutzer darauf stoßen. Ähnliche Lockvogelseiten nutzen Abmahnbüros für Softwarepiraterieanstiftung schließlich auch. Und unter Kollegen spricht sich ein, wenn auch unfaires, funktionierendes Werkzeug sicher schnell herum.

Das Gedicht "Das letzte Kapitel" war aktuellpolitisch geradezu eine Herausforderung für einen gerissenen (darf man Abmahnsinnigen sagen?) ... wie unseren Herrn Anwalt. Da konnte er doch sicher sein, dass in der Antikriegsgefühlsduselei manch Internetseitenbastler blind vor Wut in die Urheberrechtsfalle tappte (weil das eben nicht normaler Schulstoff, sondern reines Anwaltsbiotop ist). In gewissem Sinne ist so ein Anwalt nicht weniger Kriegsgewinnler wie ein Herr Bush. Und wer weiß, wer die Idee zur Verfolgung dieses unamerikanischen Gedichtes hatte? So kann man auch prima unliebsame Texte aus dem internet katapultieren. Nach der feindlichen Übernahme unserer Presse durch das Pentagon stirbt nun auch noch das Internet an Meinungs-Inzest, ja? Die Erben von Kästner können stolz auf ihre Kanzlei sein. Der alte Erich würde sich im Grabe umdrehen, wenn er das noch mitbekommen würde!

Ich lobe Ihren Mut, sich als "Reingefallenen" nicht zu verkriechen, sondern den mit Recht empfundenen Unmut auch auszusprechen. Ich habe übrigens auch nicht vor, den Betrag in dieser Höhe zu begleichen und suche Mitstreiter für eine gemeinsame Klageabwehr. Ich denke, im Sinne des freien Internets sollte der Abmahnsinn endlich unterbunden werden. Ich kann mir auch nicht vorstellen, dass das Urheberrecht Vorrang vor dem Informationsrecht der Gesellschaft hat und demzufolge die Masse der Seitenbastler gezwungen wird, stets Links auf legale Quellen der Texte zu setzen, um nach wenigen Tagen dann oft die Löschung der Quelle hinnehmen zu müssen. Es sollte eine Art Gebührenzentrale mit vernünftigen Sätzen geschaffen werden, bei der sich jeder die Texte seiner Wahl kaufen kann. Solange aber auf der einen Seite der legale Rechteerwerb für Normalbürger unbekannt und in jedem Einzelfall kompliziert bis unmöglich ist, auf der anderen Seite aber spezielle Anwalts-Profis auf Dummenfang in Urhebersachen gehen, wird es keinen Frieden geben können. Was halten Sie von einer Internet-Bürgerinitiative gegen solche Abmahnungen? Allein hat man da ziemlich wenig Chancen, aber in der Gruppe bewirkt man mitunter ganz andere Urteile, kann sich einen besseren Anwalt leisten, umgeht Fettnäpfchen leichter.

Um in Zukunft sicher vor ähnlichen Klagen zu sein, habe ich auch schon eine rettende Idee. Ich glaube, in wenigen Wochen steht das "letzte Kapitel" wieder - und diesmal völlig legal, obwohl ohne Forschung nach irgendwelchen Erben - im Internet, ohne dass je ein Anwalt mich oder sonstwen dafür abkassieren kann. Das bin ich Erich Kästner einfach schuldig.

Mit freundlichen Grüßen
Peter Spangenberg

3. Brief an Ahnenforscher und andere Berufe

Liebe Ahnenforscher, Genealogen, Detektive und Anwälte!

Ein paar Anwälte meinen, es wäre jedem Internetseitenbastler ein leichtes, bei literarischen Quellen die Inhaber von Rechten - sei es Autor oder Erbe - zu orten und um Erlaubnis für eine Internetkopie zu bitten.

Kann den Herren Rechtsanwälten einmal jemand nur ein paar Beispiele anschaulich schildern, wie "leicht" allein die Suche nach den eigenen Verwandten ist, wenn diese im 2. Weltkrieg oder bei anderen Anlässen ausser Sichtweite gerieten?

Besonders nett wäre es, wenn ein paar Erbschaftsdetektive einmal aus der Praxis plaudern. Wie oft kommt es eigentlich vor, dass ein Nichterbe mehr oder weniger lange für den echten Erben gehalten wird und sogar Rechtsschutz bei seinem Betrug bekommt? Wie schwer ist es für Laien, Rechtsanwaltsvollmachten irgendwelcher Erben zu beurteilen? Wie leicht findet man einen Erben gewöhnlich?

Und an alle die Frage: Wie findet man systematisch einen Autoren oder dessen Erben, wenn man ein Gedicht aus der Vorkriegszeit gern kopieren möchte?

Gut, inzwischen fallen mir schon einige Möglichkeiten ein, aber ich denke, die meisten Leser werden hier auch erst einmal grübeln müssen.

An Juristen die Fragen:

Was macht man, wenn man bei Recherche nicht fündig wird? Ist das Gedicht dann tabu? Das darf ja wohl auch nicht sein, oder?

Ist Herr Thomas Kästner wirklich Alleinerbe von Erich Kästner oder kann bei erfolgreicher Abmahnung nun jeder andere Erbe fröhlich nachlegen?
Welche Konsequenzen hat eine unterzeichnete Unterlassungserklärung, wenn danach irgendein Cache auf einer Suchmaschine immer noch die "Rechteverletzung" gespeichert hat und wiedergibt?